Tagebuch einer Sprachenlehrerin

Ich unterrichte Deutsch. Deutsch als Fremdsprache.

Tag: lehrer

Ich bin wieder hier… vielleicht

Das neue Jahr ist jetzt auch schon wieder ein paar Tage alt und seit meinem letzten Beitrag sind Monate vergangen. Aber es ist nicht so, als hätte ich nichts getan. Im Gegenteil, ich war so beschäftigt, dass ich zum Schreiben keine Energie mehr hatte. Nach den Herbstferien hatten sich sich für mich einige Veränderungen im Stundenplan ergeben, sodass ich im Prinzip Vollzeit ausgelastet bin. Hinzu kommt, dass ich auch eine Klasse in einem Prüfungsjahr übernommen habe und diese Prüfung eben noch nie gemacht habe. Da stürzt so viel auf einen ein. Zum einen eben, dass ich die Klasse im November in einem eher mittelprächtigen Zustand übernommen habe: die Lerndisziplin war im Keller, die Klasse war im Lehrplan hintendran und wir mussten und müssen immernoch einiges aufholen, im Januar war eine erste Probeprüfung und das muss jetzt alles korrigiert und den Lernern zurückgemeldet werden, Lücken müssen gefüllt werden und noch immer müssen neue Themen bearbeitet werden. Zum anderen musste ich mich erst einmal mit den Prüfungsanforderungen auseinander setzen und die Bewertungskriterien verstehen. Ich glaube, niemand findet es lustig, eine Klasse in einem Prüfungsjahr und wenige Monate vor der Prüfung zu übernehmen. Plötzlich ist man verantwortlich für das Lernen und auch für den Erfolg oder Misserfolg von Lernern, auf deren Entwicklung man eigentlich wenig Einfluss hatte. Aber es hilft mir und auch den Lernern wenig, wenn ich einfach sage: „sorry, dass es für euch nicht so toll läuft, aber meine Schuld ist das nicht, ich habe euch schon in so einem Zustand übernommen und mein Bestes getan. Pech gehabt!“

Dementsprechend steht mir auch dieses Wochenende wieder ein Korrekturenwochenende bevor, aber ich wollte mir doch eben kurz die Zeit nehmen, ein Lebenszeichen von mir zu geben und das neue Jahr einzuläuten.

Für und wider

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ein flammendes Plädoyer für den Unterricht an der Regelschule für DaF-ler schreiben. Dann hatte ich heute so einen besch… Tag mit der 9. Klasse, dass ich mir die schon fertig erzogenen Erwachsenen doch wieder ganz gut vorstellen konnte. Geradezu glänzend in ihrer manierlichen Disziplinertheit erschienen Sie mir. 

Letzte Woche war bei ich bei einem Treffen mit anderen freiberuflichen Deutschlehrern. Im Gegensatz zu mir machten sie das freiberufliche Erwachsenentraining hauptberuflich. Bei mir ist das eher wechselnd, im Moment mehr Schule. Und auch auf diesem Blog haben die Kinder viel größeren Raum. Das war keine Absicht, aber anscheinend ist Training (mit Erachsenen sagt man nicht Unterricht. Das könnte negative Assoziationen zur Schulzeit hervorrufen. Training klingt ja auch viel aufregender und stellt mich von der Berufsbezeichnung auf eine Stufe mit Jogi Löw. Das ist ein nicht zu verachtender Aspekt.) ziemlich ereignislos und gibt wenig für die Fiktionalisierung her. Das Treffen mit den Kollegen war trotzdem interessant. Viel zu selten hat man Gelegenheit sich auszutauschen und viel zu oft wurschtelt jeder so für sich herum. Obwohl es interessant war von ihren Methoden und Kunden zu hören, war ich irgendwie froh, dass ich das nicht hauptberuflich mache. 

Auf eine gewisse Art ist es immer wieder das Gleiche. So ziemlich jedes Training hat Einheiten zum Thema telefonieren und emails schreiben, etwas branchenspezifischen Wortschatz und je nach dem eine Mischung aus Präsentationen, Kundenaquise, Beschwerdemanagment o.Ä. Und wenn man das Glück hat, monatelang Monteure und Elektiker über Sicherungskästen und Werkzeug in Deutschland aufzuklären, dann wird es schon auch mal frustrierend, obwohl ich in der Tat vielseitig interessiert bin. 

In der Schule wiederholen sich die Themen natürlich auch. Allerdings ist dort der Rhythmus doch noch einmal anders als in berufsbezogenen Trainings. Letztere dauern manchmal als Internsivkurs nur eine Woche. Das längste Training, dass ich bisher hatte, dauerte 12 Wochen (je einen Vormittag pro Woche). Somit kommen immer wieder die gleichen Themen relativ schnell nacheinander. In der Schule dauert es immerhin ein Jahr bis es wieder von vorn los geht.

Was mir an der selbstständigen Tätigkeit immer zugesagt hat, war die Freiheit. Theoretisch kann man, wenn man genug von den Monteuren hat, einfach sagen, „nee, das Training mache ich nicht“. Natürlich sollte man derlei nicht zu häufig sagen, wenn man von dem Auftraggeber noch Aufträge bekommen will. Dennoch hat man schon viel Freiheit sich seine Kurse und Zeiten selbstbestimmt einzuteilen.  

In einer Schule ist das ganz anders. Wenn ich keine Lust mehr auf 9. Klasse habe, kann ich mich nicht damit trösten, dass ich nächstes Schuljahr einfach keine 9. Klasse übernehmen werde. In einem Angestelltenverhältnis ist man schließlich weisungsgebunden. Da darf man schon auch Wünsche äußern, aber vor allem, wenn man die jüngste und/oder neueste Kollegin ist, muss man doch erst einmal nehmen, was man hingeworfen bekommt. 

Was ein bisher unangefochtener Vorteil der Trainings in der Erwachsenenbildung ist, ist die Disziplin und die Motivation der Lerner. Ersteres hat mir heute auch das Rückgrat gebrochen. Sonst wäre der Titel des Beitrags gewesen: Für. Kinder und Jugendliche hat man meistens in mehr oder weniger großen Gruppen und da ist immer ein Teil auch Erziehungsarbeit. Es geht nie nur um die Sprache allein. Manchmal hat man Glück und die Gruppe ist relativ wenig auffällig und leicht zu leiten, manchmal ist es auch ein frustrierendes Stück Arbeit. Von Motivation gar nicht zu sprechen. 

Erwachsene, die das Training vom Arbeitgeber bezahlt bekommen, haben eigentlich immer auch eine gewisse Grundmotivation. Meistens haben sie auch schon Situationen erlebt, wo sie aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse Nachteile und Probleme bei der Arbeit hatten. Daher sind sie alle sehr motiviert. Man muss ihnen nicht erst erklären, wozu Sprache wichtig ist bzw. auf eine ungewisse und ferne Zukunft verweisen, in der sie Deutsch nutzen werden. Ähnliches gilt für das Verhalten und die Disziplin. Es hilft natürlich, dass die meisten Trainings in Kleingruppen oder mit Einzelpersonen stattfinden. 

So bleibt die Waagschale heute ausgewogen. Gestern wäre sie noch zugunsten der Schule ausgeschlagen. Dafür gab es eben statt des flammenden Plädoyers eine ausgewogene Abwägung der Vor- und Nachteile. Das Gleichgewicht in die eine oder andere Richtung zu verschieben kann dann jeder für sich selbst. Manchmal auch jeden Tag von neuem. 

Apps to go – Plickers

Nichts, aber auch wirklich nichts übertrifft meine absolute Lieblingsapp für den ultimativen Unterrichtsspaß Kahoot!, aber ich verstehe, dass nicht jeder Lehrer an einer 1-zu-1 iPad Schule arbeitet oder an einer Schule, wo es möglich oder erlaubt ist, dass jeder Schüler ein iPad oder Smartphone mit zum Unterricht bringt. Dafür gibt es Alternativen, z.B. die App Plickers, die ich euch heute vorstellen möchte.

Durchführung

Das Prinzip ist so ähnlich wie bei Kahoot! nur ohne die aufpeitschende Musik und ohne iPads. Man kann als Lehrkraft zu Hause am Computer ein Quiz erstellen und mit Bildern (vielleicht auch mit Videos, da bin ich gerade nicht ganz sicher) anreichern. Das muss man tatsächlich im Browser machen. Außerdem muss die Lehrkraft eine „Klasse“ erstellen. Das macht insbesondere dann Sinn, wenn man diese Form des Quizes öfter mit der gleichen Gruppe machen will und Daten auswerten möchte zu einzelnen Schülern. Dann ist es auch sinnvoll den Schülern die jeweiligen Antwortkarten zuzuweisen und das dauerhaft beizubehalten. Um das Quiz dann mit der Klasse zu spielen, benötigt mindestens die Lehrkraft ein mobiles Endgerät, auf dem die Plickers-App installiert ist. Außerdem muss es im Klassenzimmer die Möglichkeit geben, die Quizfragen in der Browserversion von Plickers anzuzeigen. Zu guter Letzt muss die Lehrkraft auf der Website von Plickers die Antwortkarten herunterladen und so viele ausdrucken wie sie Schüler hat. Man kann, glaube ich, ein Set von bis zu 63 Karten herunterladen, also ist die App auch für sehr große Klassen geeignet. Wenn man den Schülern die Karten namentlich zugeordnet hat, dann macht es Sinn, dass sie ihre Antwortkarte ins Heft kleben oder irgendwo aufbewahren, wo sie sie nicht verlieren und jede Stunde dabei haben. Ich habe es bei den Kleinsten so gemacht, dass ich die Karten mit ihrem Namen beschriftet habe und immer wieder einsammele. Wenn es anonym zugeht oder die Karten oft wieder eingesammelt und in anderen Klassen benutzt werden, macht es Sinn sie zu laminieren. Aber probiert zunächst erst einmal aus, ob euch und den Schülern diese Form des Quizes zusagt.

Soweit so gut. Das Quiz ist also vorbereitet, wird am IWB angezeigt und jeder Schüler hat seine Antwortkarte. Die sieht erst einmal etwas seltsam aus, daher ist es wichtig den Schülern zu erklären, dass je nach dem welche Seite sie nach oben halten, eine andere Antwort gegeben wird. Pro Frage gibt es höchstens 4 Antwortmöglichkeiten A, B, C, D. Auf der Karte ist das an jeder Kante klein vermerkt, welche Antwort mit dieser Kante korrespondiert. Wahrscheinlich müsst ihr einen Probedurchgang machen bis das Prinzip klar ist.

Die Frage ist also gestellt und die Schüler halten ihre Antwortkarte mit der Seite nach oben, die sie für die richtige Antwort halten. Jetzt scannt die Lehrkraft mittels Plickers-App auf ihrem mobilen Endgerät die Antwortkarten und das Ergebnis erscheint auf dem IWB. Für die meisten Schüler ist das ein ziemlicher Aha-Moment. Jedenfalls in einem gewissen Alter.

Vor- und Nachteile (im Vergleich mit kahoot!)

plickers

Ergebnis aus Lehrersicht

Was im Vergleich mit kahoot! als nicht ganz so toll auffällt, ist, dass die Lerner nur sehen, ob ihre Antwort gescannt wurde. Weder können die Lerner sehen, ob ihre eigene Antwort richtig war noch wie die Verteilung war. Nur die Lehrkraft kann sehen, welche Schüler richtig bzw. falsch geantwortet haben und sieht auch die prozentuale Verteilung richtig/falsch pro Frage. Als Lehrkraft hat man also sehr gute Möglichkeiten der Auswertung, die Lerner allerdings bekommen dieses Feedback nur über die Lehrkraft. Kahoot bietet da eine bessere Möglichkeit, vor allem dadurch, dass die Lerner nach jeder Frage sehen, ob sie richtig geantwortet haben oder nicht. Bei Plickers muss das in der Klasse über die Lehrkraft kommuniziert werden. An sich ist es natürlich gut, dass einzelne Lerner nicht bloß gestellt werden, in dem für alle sichtbar am IWB steht, dass sie eine falsche Antwort gegeben haben.

Was vielleicht ein Vorteil von Plickers sein könnte – das muss sich noch im Langzeittest bewähren – ist die offene Fragen-Bibliothek. Es ist nicht so wie bei kahoot!, dass man ein starres Quiz erstellt sondern man kann alle Fragen individuell kombinieren. Die Quizfragen kommen alle in eine Bibliothek, in der man natürlich Ordner anlegen kann. Aus dieser Bibliothek wählt man dann für jede Quizrunde und für jede Gruppe die Fragen neu aus. So kann man Fragen, die beim ersten Mal viele falsch hatten, bei der nächsten Quizrunde wieder verwenden und andere Fragen, die gut gingen, weglassen und durch neue Fragen ersetzen.

Fazit

Das wars. Es ist ein wenig aufwendig vorzubereiten, aber wenn man die Klasse einmal angelegt hat und so, dann geht es schnell. Am aufregendsten ist für die Schüler meist tatsächlich der Moment der Übertragung, wo die Lehrkraft die Karten der Klasse scannt und sich das auf mysteriöse Weise an der Tafel in ein Antwortbild verwandelt. So kann man interaktive Quize auch in Klassen durchführen, in denen nicht jedem Teilnehmer ein eigenes Gerät zur Verfügung steht.

Authentizität 

Ich habe relativ viel über Authentizität nachgedacht. Zunächst weil das Teil einer Fortbildung war,  in der man über seine Lehrerrolle nachdenken sollte. Es wurden verschiedene Rollen und Metaphern vorgeschlagen für den Lehrerberuf. Zum Beispiel: Gärtnerin – das fand ich gut… vielleicht wegen meiner Gärtnerfamilienherkunft; Schauspielerin, Künstlerin und Animateurin – das fand ich auch gut. das Klassenzimmer ist wie eine Bühne und entweder man steht als Lehrerin selbst im Mittelpunkt oder man muss die Lerner dazu aninmieren diese Rolle einzunehmen. Mit diesen Ideen stand ich aber allein auf weiter Flur. Und der Grund, den die anderen Teilnehmer nannten, war, dass man ja authentisch bleiben muss. Und wenn man schauspielert, dann ist man ja nicht mehr authentisch. Wie gesagt, ich war anderer Meinung. Ich fand, man muss auch mal in verschiedene Rollen schlüpfen als Lehrer. Man steht da vorn und alle starren einen an und erwarten irgendwas. Manchmal muss man lustig sein, auch wenn einem zum heulen ist und manchmal muss man streng sein, auch wenn man die Streiche der Schüler eigentlich doch lustig findet. Trotzdem war ich schon relativ unzufrieden mit meinem Lehren in der letzten Zeit.

Irgendwie war mir die Leichtigkeit abhanden gekommen. Ich weiß nicht, wo sie hin ging, aber ich glaube fest, dass es damit zu tun hatte, dass ich mich nicht ernst genommen und unterstützt fühlte in einem der Jobs. Immer wieder und in jedem Mitarbeitergespräch mit meinem Chef sagte er: „ja, Sie haben ja keine pädagogische Ausbildung. Also, dafür machen Sie es ja ganz gut.“ Auf meiner mangelnden pädagogischen Ausbildung reitet er jedes Mal herum. Weil ich kein Referendariat gemacht habe. Als ob das alles wäre. Oder vielleicht findet mich sowieso schlecht und vertuscht es hinter einem fachlichen Mangel oder so.

In der Niederländischklasse wurde mir auch gleich klar gemacht, dass ich nicht soooo gut Niederländisch spreche, also halt nicht wie eine Muttersprachlerin oder wie eine Niederländischlehrerin. Überraschung, ich bin auch keine Niederländischlehrerin.

Darüber hinaus war ich im letzten Schuljahr soooo beschäftigt damit, mich als Lehrerin zu etablieren und habe ungefähr 3 bis 4 Jobs gehabt, so dass es alles nur eine Beweisprobe wurde. Ich wollte mir selbst beweisen, dass ich es kann. Dass ich mehr arbeiten kann und eine richtige Lehrerin sein. Klassen managen. Geld verdienen.

Am letzten Tag mit meinem Privatschüler kam die Leichtigkeit zurück. Ich möchte dass sie bleibt. Ich glaube, das ist Authentizität. Die Leichtigkeit, wenn alles von allein geht und ohne Druck und ohne Angst und ohne Minderwertigkeitskomplex. Aber manchmal braucht man auch mal Bestätigung. Nicht nur meine Schüler brauchen das.

Ich hatte noch andere gute Metaphern für den Lehrerberuf. Jetzt sind sie mir entfallen. Vielleicht fallen sie mir wieder. Oder ich schreibe später mal was dazu.