Für und wider

von carlacollumna

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle ein flammendes Plädoyer für den Unterricht an der Regelschule für DaF-ler schreiben. Dann hatte ich heute so einen besch… Tag mit der 9. Klasse, dass ich mir die schon fertig erzogenen Erwachsenen doch wieder ganz gut vorstellen konnte. Geradezu glänzend in ihrer manierlichen Disziplinertheit erschienen Sie mir. 

Letzte Woche war bei ich bei einem Treffen mit anderen freiberuflichen Deutschlehrern. Im Gegensatz zu mir machten sie das freiberufliche Erwachsenentraining hauptberuflich. Bei mir ist das eher wechselnd, im Moment mehr Schule. Und auch auf diesem Blog haben die Kinder viel größeren Raum. Das war keine Absicht, aber anscheinend ist Training (mit Erachsenen sagt man nicht Unterricht. Das könnte negative Assoziationen zur Schulzeit hervorrufen. Training klingt ja auch viel aufregender und stellt mich von der Berufsbezeichnung auf eine Stufe mit Jogi Löw. Das ist ein nicht zu verachtender Aspekt.) ziemlich ereignislos und gibt wenig für die Fiktionalisierung her. Das Treffen mit den Kollegen war trotzdem interessant. Viel zu selten hat man Gelegenheit sich auszutauschen und viel zu oft wurschtelt jeder so für sich herum. Obwohl es interessant war von ihren Methoden und Kunden zu hören, war ich irgendwie froh, dass ich das nicht hauptberuflich mache. 

Auf eine gewisse Art ist es immer wieder das Gleiche. So ziemlich jedes Training hat Einheiten zum Thema telefonieren und emails schreiben, etwas branchenspezifischen Wortschatz und je nach dem eine Mischung aus Präsentationen, Kundenaquise, Beschwerdemanagment o.Ä. Und wenn man das Glück hat, monatelang Monteure und Elektiker über Sicherungskästen und Werkzeug in Deutschland aufzuklären, dann wird es schon auch mal frustrierend, obwohl ich in der Tat vielseitig interessiert bin. 

In der Schule wiederholen sich die Themen natürlich auch. Allerdings ist dort der Rhythmus doch noch einmal anders als in berufsbezogenen Trainings. Letztere dauern manchmal als Internsivkurs nur eine Woche. Das längste Training, dass ich bisher hatte, dauerte 12 Wochen (je einen Vormittag pro Woche). Somit kommen immer wieder die gleichen Themen relativ schnell nacheinander. In der Schule dauert es immerhin ein Jahr bis es wieder von vorn los geht.

Was mir an der selbstständigen Tätigkeit immer zugesagt hat, war die Freiheit. Theoretisch kann man, wenn man genug von den Monteuren hat, einfach sagen, „nee, das Training mache ich nicht“. Natürlich sollte man derlei nicht zu häufig sagen, wenn man von dem Auftraggeber noch Aufträge bekommen will. Dennoch hat man schon viel Freiheit sich seine Kurse und Zeiten selbstbestimmt einzuteilen.  

In einer Schule ist das ganz anders. Wenn ich keine Lust mehr auf 9. Klasse habe, kann ich mich nicht damit trösten, dass ich nächstes Schuljahr einfach keine 9. Klasse übernehmen werde. In einem Angestelltenverhältnis ist man schließlich weisungsgebunden. Da darf man schon auch Wünsche äußern, aber vor allem, wenn man die jüngste und/oder neueste Kollegin ist, muss man doch erst einmal nehmen, was man hingeworfen bekommt. 

Was ein bisher unangefochtener Vorteil der Trainings in der Erwachsenenbildung ist, ist die Disziplin und die Motivation der Lerner. Ersteres hat mir heute auch das Rückgrat gebrochen. Sonst wäre der Titel des Beitrags gewesen: Für. Kinder und Jugendliche hat man meistens in mehr oder weniger großen Gruppen und da ist immer ein Teil auch Erziehungsarbeit. Es geht nie nur um die Sprache allein. Manchmal hat man Glück und die Gruppe ist relativ wenig auffällig und leicht zu leiten, manchmal ist es auch ein frustrierendes Stück Arbeit. Von Motivation gar nicht zu sprechen. 

Erwachsene, die das Training vom Arbeitgeber bezahlt bekommen, haben eigentlich immer auch eine gewisse Grundmotivation. Meistens haben sie auch schon Situationen erlebt, wo sie aufgrund ihrer mangelnden Sprachkenntnisse Nachteile und Probleme bei der Arbeit hatten. Daher sind sie alle sehr motiviert. Man muss ihnen nicht erst erklären, wozu Sprache wichtig ist bzw. auf eine ungewisse und ferne Zukunft verweisen, in der sie Deutsch nutzen werden. Ähnliches gilt für das Verhalten und die Disziplin. Es hilft natürlich, dass die meisten Trainings in Kleingruppen oder mit Einzelpersonen stattfinden. 

So bleibt die Waagschale heute ausgewogen. Gestern wäre sie noch zugunsten der Schule ausgeschlagen. Dafür gab es eben statt des flammenden Plädoyers eine ausgewogene Abwägung der Vor- und Nachteile. Das Gleichgewicht in die eine oder andere Richtung zu verschieben kann dann jeder für sich selbst. Manchmal auch jeden Tag von neuem.